1995 wette 1   1995 wette 2 

Informationsblatt "Bellerser Glocke", Ausgabe 1/2017 - Aus vergangenen Zeiten

1995 fand ein denkwürdiges Ereignis statt, Pferd und Schwein für die Herrichtung eines Ackers

(Text und Fotos entnommen aus dem Buch „Alltagsgeschichten“, 2015, von Ingrid Heuchel und Alois Gehlen, Zwischenüberschriften hinzugefügt)

 

Wettackern 1995: Pferde gegen Schwein – WETTEN DASS in Bellersen?1995 wette 3


Nach seiner beruflichen Laufbahn als Vertriebsleiter wollte Helmut Heuchel unbedingt Bauer sein. Im Münsterland besaß er schon ein kleines Anwesen, einen sog. Kotten, auf dem er schon geraume Zeit und mit Erfolg Warmblutpferde züchtete.

Nach langwierigen Verhandlungen mit dem Vormundschaftsgericht kaufte er in Bellersen den Sagelshof, einen richtigen Bauernhof und übernahm die Betreuung des nervenkranken Hoferben Heinrich Sagel bei sich im Münsterland.

Helmut Heuchels Liebe zu Antiquitäten war bekannt, aber mit seinem Interesse an alten Ackergeräten, die von Pferden zu ziehen waren, erntete er nur Unverständnis. Diese Ausgangssituation muss man kennen, um sein folgenschweres Versprechen und die spöttische Reaktion des Dorfes darauf zu verstehen. Probiert hatte Helmut Heuchel das Pflügen mit Pferden schon mal im Münsterland, doch trotz mehrerer Assistenten, geklappt hatte es so recht noch nicht! Trotzdem orakelte er eines Abends in geselliger Runde an der Theke in der Mühle: „Ihr werdet schon sehen, eines Tages pflüge ich mit meinen Kaltblütern vor meinem alten Pflug meinen Acker!”


Die Wette nimmt ihren Lauf

Ungläubiges Grinsen und spöttisches Gemurmel in der Runde. Bis Friedel Topp das Wort ergriff: „Was Du mit einem Pferd pflügst, will ich wohl mit einem Schwein hinterher eggen!“ Das Gelächter war groß, und die Wette war ausgesprochen und wurde mit Schnäpsen besiegelt.

Die Zeit verging, und der Sommer auch. Wie oft Helmut Heuchel im Münsterland trainiert hat, ist nicht überliefert. Fest steht, dass er seine theoretischen Kenntnisse bei jeder Gelegenheit mit älteren und erfahrenen Bauern erweitert hat.

Vom feinen Mann zum Gespannführer

Bei den regelmäßigen Besuchen in Bellersen war das Landhotel Mühlenkrug natürlich die beste Möglichkeit, mit Bellersern ins Gespräch zu kommen. Seine Liebe zum Landleben glaubte man ihm schon, wenn er als ganz passabler Reiter zu Pferde die Umgebung erforschte. Auch hatten seine züchterischen Erfolge sich schon herumgesprochen, aber ...Bauer? nee! Auch wenn er mit Franz Rehermann kenntnisreich fachsimpeln konnte, was, wann, wo angebaut werden soll, den Bauern nahm man ihm nicht ab, zumal seine Auftritte an der Theke oft im Nadelstreifenanzug stattfanden, weil er sich, von irgendeiner Tagung kommend, ein paar Tage Bellersen gönnte.

Eines Abends jedenfalls, wieder in der Mühle, prahlte er völlig überzeugend: „Mein Gespann steht! Sobald das Getreide abgemäht ist, werde ich mit Pferden pflügen, was macht das Schwein, Herr Topp?“ Friedel Topp, durch ein paar Bierchen zum Helden mutiert, konterte genauso überzeugend: „Das Schwein ist ganz wild aufs Eggen!“ Ein paar Uneingeweihte ließen sich den Sachverhalt noch einmal erklären und fanden diese Wette wohl so originell, dass es kurz danach in der Presse zu lesen war. Plötzlich kamen Nachfragen, auch von außerhalb, wo denn der Harsieck sei, und wann das Ereignis stattfindet, und um welche Uhrzeit?

Die Aktion wird ernst

Jetzt war klar, diese Aktion musste vorbereitet werden. Hinweisschilder wurden gebaut und beschriftet und ein Transfer mit Planwagen wurde organisiert. Die Stadt Brakel sah sich gezwungen, die erheblichen Bedenken des Tierschutzbundes ernst zu nehmen und nahm Kontakt mit Helmut Heuchel auf, um ihn auf etwaige Konsequenzen aufmerksam zu machen. Er sei nur fürs Pferd und fürs Pflügen zuständig, konterte dieser, Friedel Topp sei der mit dem Schwein und dem Eggen!

Friedel war natürlich auch nicht untätig gewesen, allerdings brauchte er nicht zu üben. Er hatte sich für das Schwein eine höchst komfortable Arbeitsmethode ausgedacht, und konnte die Behörden beruhigen.

Völlig ahnungslos strömten bei schönstem Sonnenschein Fußgänger, Radfahrer, Pkws und Kutschen zur Kastanienwiese, um sich das seltene Schauspiel nicht entgehen zu lassen. Helmut Heuchel hatte sich traditionell als Blaukittel verkleidet und pflügte mit vollem Körpereinsatz. Mehrere Assistenten hielten abwechselnd die Zugleine, feuerten die Pferde an, drückten die Pflugschar in den Acker oder bekundeten ihre Fachkenntnis durch Zurufe und Kommandos.

Bei dem hochroten Kopf von Helmut Heuchel plädierten mehrere Zuschauer für Menschenschutz statt für Tierschutz. Die Kaltblutpferde Ninja und Ninjo wurden von Furche zu Furche besser, aber der völlig erschöpfte Bauer war froh, seinen Part der Wette für erfüllt zu erklären.

Der Wettsieger mit dem Schweinkäfig

Nun kam Friedels Auftritt. Das Schwein in der Holzkiste hatten die Zuschauer schon begutachtet und für kräftig genug erachtet. Die blanke Egge war mit dem Traktor antransportiert worden und hing noch dahinter. Nun kam die verblüffende, gut eingeübte Aktion: Starke Jungs Die Kaltblüter Ninja und Ninjo im Einsatz. Sie hoben die Holzkiste samt Schwein auf die Egge und los ging's mit Vollgas durch den frischgepflügten Acker.

Die Zuschauer jubelten begeistert und beklatschten die Schlitzohrigkeit des Wettgegners.

Zufrieden lächelte das Schwein beim Eggen, lediglich über die Auspuffgase des Traktors rümpfte es etwas die Nase. Spur um Spur zog das merkwürdige Gespann, bis alles Gepflügte säuberlich geeggt war. Friedel Topp stieg souverän vom Traktor, rieb sich die Hände und bedankte sich in die Runde für den verdienten Applaus.

Helmut Heuchel schüttelte ihm voller Respekt die Hand und lachend fielen sich die Wettgegner in die Arme. Wer nun letztendlich die Wette gewonnen hat, sollte abends im Kreativhof geklärt werden, ist dann aber beim fröhlichen Umtrunk in Vergessenheit geraten. Friedel Topp auf dem Trecker, das Schwein auf der Egge.